Schwerpunkt „maschinelle Getreideernte“ - unser Claas S.F. Mähdrescher aus dem Baujahr 1956
Satzungsgemäß hat der Verein Historische Landmaschinen Diedenbergen die Aufgabe zur „Erhaltung historischer landwirtschaftlicher motorbetriebener Maschinen“. Da man nicht alle landwirtschaftlichen Maschinen sammeln kann, hat sich der Verein neben den Oldtimer-Traktoren auf den Schwerpunkt „maschinelle Getreideernte“ verlegt. In diesem Zusammenhang stehen 5 unterschiedliche Dreschmaschinen zur Verfügung, von denen 3 voll funktionsfähig sind und bei den jährlichen Landmaschinentreffen der HLD in Betrieb genommen werden. Ziel ist es die Maschinen zur Getreideernte aus den unterschiedlichen Zeit- und Entwicklungsepochen möglichst umfassend darzustellen. So sind bereits, Grasmäher, Gespannmäher mit Schwadenablage und ein Bautz-Mähbinder Baujahr 1952 vorhanden, um zusammen mit den Dreschmaschinen Ernte und Korngewinnung zu demonstrieren. Jedoch fehlte bisher noch die Entwicklungsstufe des Mähdreschers.
Da ergab es sich, dass unserem Vereinsmitglied Oswin Reinemer berichtet wurde, dass sich in einer Scheune in Hochheim am Main ein alter Mähdrescher steht. Über sehr verschlungene Wege und unter tatkräftiger Mitwirkung von Herrn Wirschinger aus Hochheim gelang es dann Standort und Eigentümer zu ermitteln. So wurde schnell eine Ortsbesichtigung vorgenommen, wobei sich herausstellte, dass es sich um eine restlos verstaubte Maschine im äußerten Winkel einer Scheune handelt, die seit über 30 Jahren nicht mehr bewegt worden ist. Nachdem Sie ein wenig in Licht gerückt werden konnte wurde schnell festgestellt, dass es sich um einen CLAAS SF Mähdrescher handelt der vermutlich aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhundert stammt. Soweit man das nachverfolgen kann, gehörte die Maschinen einem landtechnischen Lohnunternehmen aus dem Raum Frankfurt a.M. der sie dann an den Lohnunternehmer Hans Christ auch Hochheim am Main verkauft hat. Der hat aber mit dem Mähdrescher nur kurz gearbeitet, da er aus Altergründen das Unternehmen aufgegeben musste. So wurde der CLAAS in der Scheune abgestellt und geriet einfach in Vergessenheit.
So konnte dann die Maschine durch Vereinsmitglieder herausgeholt werden, da Frau Christ dieses „große Ding“ so schnell wie möglich loswerden wollte. Problem war die Überführung. Ein Tieflader passte nicht in die Hofeinfahrt, so dass wir versuchen mussten die Maschine irgendwie zum Laufen zu bringen. Unserem stellv. Vorsitzenden Norbert Müller gelang es dann auch nach einigen Arbeitsstunden den Motor zu starten, der danach auch problemlos lief; und das nach 30 Jahren Stillstand. Da kann man sicher noch von deutscher Wertarbeit sprechen. Da auch die Hydraulik noch funktionierte konnten wir die Maschine auf „eigener Achse“ überführen, welches für die Beteiligten schon eine besonders Ereignis war (siehe Bilder). Bei unserem Vereinsmitglied Gerd Mehler fanden wir glücklicher Weise die Möglichkeit den Mähdrescher vorerst in einer Zelthalle abstellen zu können.
Da wir immer noch kein Typenschild finden konnten haben wir Kontakt mit dem historischen Archiv der Fa. Claas aufgenommen von dem wir den Hinweis bekamen, wo wir die Maschinennummer finden konnte (ein Typenschild gibt es nicht). So hat denn unser Mähdrescher die Maschinennummer 500942. Laut Claas handelt es sich um eine Maschine aus dem Baujahr 1956. Die ersten Maschinen dieses Typs kamen 1953 auf den Markt. Sie wurden bis 1963 in einer Gesamtstückzahl von 19.465 gebaut. Bei dem eingebauten Motor der Maschine aus dem Baujahr 1956 handelt es sich um einen luftgekühlten 4-Zylinder Diesel, der von Claas entwickelt und gebaut wurde. Von diesem Motor wurden insgesamt 4.280 Stück bis 1963 hergestellt. Neben den Claas Motoren wurden auch Fremdfabrikate (Diesel oder Benzin) eingebaut. Bei den größeren Mähdreschern der nachfolgenden Bauserien reichten die 60 PS des Claas Motors nicht mehr aus. So gab Claas die Motorenfertigung 1963 auf und baute nur noch Fremdfabrikate ein. Die HLD möchte den Mähdrescher nun funktionsfähig instand setzen, dass mit ihm auf unseren Feldtagen auch wieder gemäht / gedroschen werden kann.
Ein historischer Claas F.F. im Einsatz (leider nicht bei uns - das Video stammt aus youtube).
Um den historischen Wert dieser Maschine einzuordnen sei ein kurzer Blick in die Geschichte des Mähdreschers erlaubt.
Nach der Erfindung der Getreidemäher um 1830 in Amerika „träumten“ die Landwirte davon das Getreide nach dem Mähen auch gleich auf dem Feld zu dreschen um die Arbeitsschritte, Mähen, Binden, Aufstellen zum Trocken, einfahren und Dreschen in der Scheune zu vereinfachen. So wurde bereits um 1850 mit der Entwicklung von Mähdrescher begonnen die auch zu bescheidenen Erfolgen führte. Aber um 1890 waren bereits ca. 500 Mähdrescher in Kalifornien im Einsatz. Der große Durchbruch gelang mit der Anwendung der Verbrennungsmotoren zum Antrieb der Maschinen und von Traktoren zum ziehen der Mähdrescher, so dass die Großseriefertigung ab 1910 in den USA anlieft. Weltmarken wie McCormik entstanden. So erreichte die Mähdrescherproduktion in den USA im Jahre 1930 etwa 100.000 Stück.
Trotz dieser rasanten Verbreitung in Nordarmerika konnte sich der Mähdrescher in Europa, namentlich in Deutschland, nicht durchsetzen, da die wenigen importierten USA-Mähdrescher mit den Getreideverhältnissen und Anforderungen der Landwirte nicht zurecht kamen. Das lag an den grundsätzlich anderen Getreideanbaumethoden in Nordamerika und Europa. Ging es dort nur um das Ausdreschen der Ähren, wollte man in Europa auf die Strohgewinnung nicht verzichten. Da die amerikanischen Mähdrescher mit einer recht schmalen Stiftendreschtrommel arbeiten, hatten die europäischen Dreschmaschinen eine verhältnismäßig breite Schlagleistentrommel um die Halme nicht zu sehr zu beschädigen, da sie zur Strohgewinnung benötigt wurden. (Stiftentrommeln „zerreißen“ die Halme und das Stroh ist praktisch unbrauchbar). Der erste deutsche Mähdrescher wurde 1931 von DIW in Berlin gebaut und bestand praktisch nur aus einem Mähbinder ohne Bindeapparat und einer nachgeschalteten Schlagleistentrommel aus einer Dreschmaschine. Der Feldversuch verlief jedoch absolut unbefriedigend, so dass die Weiterentwicklung bei DIW aufgegeben wurde. Auf Drängen von Prof. Vormfelde befasste sich dann August Claas intensiv mit der Entwicklung einer vollkommen neuen Maschine die praktisch nichts mehr mit Mähbinder und Dreschmaschine gemein hatte. Ab1932 wurden die ersten Versuchsmaschinen gebaut, in praktischen Feldversuchen während der Erntesaison auf den Feldern erprobt und die dabei festgestellten Schwachstellen ausgemerzt. 1936 war die Entwicklung abgeschlossen und Claas baute den M.D.B. genannten Mähdrescher in Serie. Nach zwangsweiser Unterbrechung durch den 2. Weltkrieg wurde die Mähdrescherentwicklung und Produktion durch die Fa. Claas weiter vorangetrieben; bisher dahin der alleinige Hersteller von Mähdreschern in Deutschland. 1946 ging dann der schleppergezogene Mähdrescher Typ SUPER in Serie der über 30 Jahre lang, mit laufenden Verbesserungen, bei Claas gebaut wurde. Der Super war ein Mähdresche im Quer-Längsflußverfahren, bei dem das Mähwerk, ähnlich wie bei einem Mähbinder, seitlich angeordnet war. Dies bedeutete, dass am Anfang immer eine Spur „angemäht“ werden musste, damit die Maschine nicht durch das stehende Getreide fuhr. Da außerdem die Landwirte eine größere Leistungsfähigkeit forderten begann man bei Claas mit der Entwicklung eines selbstfahrenden Mähdreschers. Dies führte dann 1953 zur Vorstellung des ersten selbstfahrenden Mähdreschers aus deutscher Herstellung, der die Bezeichnung Hercules und schon bald SF erhielt. Dieser Mähdrescher arbeitete nun, anders als der Super, im Längsflussverfahren und konnte hierdurch mit einem Frontmähwerk von 2,4 m breite ausgestattet werden. Hierdurch entfiel das lästige und aufwendige anmähen. Die schon anfangs sehr ausgereifte Maschine überzeugte auf Anhieb und erlebte ihren Durchbruch im „Katastrophensommer“ 1954 wo die Getreidefelder durch Regen Wind und Sturm praktisch „flach“ lagen. Hier bewies der S.F seine hervorragenden Mäh- und Drescheigenschaften und der Siegeszug der selbstfahrenden Mähdrescher war nicht mehr aufzuhalten.
Aus diesem Rückblick ist erkennbar, dass der Verein Historische Landmaschinen Diedenbergen außerordentlich stolz ist einen Mähdrescher der ersten Bauserie in seinen Besitz nehmen zu können um ihn als technisches Kulturdenkmal der Nachwelt zu erhalten. Wer sich für diese Rarität interessiert der sei auf das 8.Landmaschinentreffen der HLD auf der Speedwaybahn in Hofheim-Diedenbergen hingewiesen, welches am 31.7. und 01.08. d.J. stattfindet. Hier wird diese Maschine ausgestellt und kann von interessierten Personen besichtigt werden. Natürlich gibt es hier nicht nur den Mähdrescher zu sehen sondern die ganze mechanisierte Erntekette zur Getreideernte einschließlich großem Schaudreschen mit 3 unterschiedlichen Dreschmaschinen. Neben diesen historischen Landmaschinen sind dann natürlich auch ca. 250 Oldtimertraktoren aller Baujahre und Fabrikate zu bewundern, darunter echte Raritäten wie einer der ersten Nordtrak-Stier von Wille, Hamburg, ein Ruhrstahl-Geräteträger mit Henschel Motor und ein URSUS Bambini Vieradschlepper mit Allradlenkung der von Ursus in Wiesbaden gebaut wurde (nicht zu verwechseln mit Ursus aus Polen). Es lohnt sich also anfang August ein Stück Landtechnikgeschichte in Hofheim-Diedenbergen anzusehen.
Nachfolgendes Video verdanken wir einem Besucher des Landmaschinentreffens 2012. Es zeigt "unseren" Claas im Ernteeinsatz.
Hofheim-Diedenbergen im April 2010
Verfasser: Anno Respondeck